Stolperstein-Führung durch Neubritz

In Erinnerung an die „Kristallnacht“ am 9. November 1938 organisierte der Ortsteil-Verein proNeubritz e.V. eine Stolperstein-Führung.

Am U-Bahnhof Grenzallee wurde an die Familie Wittenberg erinnert. Ihr Haus, ihr Geschäft und ihr Warenlager in der Buschkrugallee 21-23 mussten sie mit großem Verlust an die Firma „Karosserie Glaubschat" verkaufen. Sie flohen nach Prag und kamen von dort am 10. Dezember 1941 zunächst in das KZ Theresienstadt und ein Jahr später wurden Benno und Hedwig Wittenberg im Ghetto Piaski im Zuge der Aktion Reinhardt ermordet. Die Söhne Erwin und Siegfried konnten nach England und Palästina fliehen. Es sind meines Wissens ganz besondere Stolpersteine, weil sie sonst nur Tote verlegt werden. Übrigens müssen sich die Täter, die vor ein paar Jahren Stolpersteine in Britz gestohlen haben, hier wohl beobachtet gefühlt haben, denn diese hier wurden nur gelockert.


In der Jahnstrasse 12 wohnten die Kommunisten Karl und Frieda Tybussek. Sie legten Feuer in den kriegswichtigen „Georgi, Rheinhold & Co. Berlin-Zehlendorf“. Sie wurden vermutlich 1942 verhaftet und nach dreitägigen Schau-Prozess am 9. April 1943 verurteilt. Karl Tybussek wird am 26. Mai 1943 in Brandenburg-Göhren durch den Strang hingerichtet. Frieda Tybussek kommt durch die Allierten am Kriegsende aus dem Gefängnis.


Die Schwestern Else und Johanna Grand aus der Rungiusstrasse wählten am 3. November 1941 den Freitod, um der bevorstehenden Deportation zu entgehen. Diese beiden Stolpersteine wurden bereits 2008 verlegt und zählen damit zu den ältesten Stolpersteinen in Neubritz.


Am 9. November 1938 zerstört und plündert die SS das Tabakwaren- Geschäft von Samson Baruch Wurzel in der Bürgerstrasse 31. Die Familie wohnte in der Hausnummer 57. Er selbst war schon über 80 Jahre alt. Am 28. Mai 1943 wird er in das KZ Theresienstadt abtransportiert, wo er am 1. Februar 1944 ermordet wird. Die Spuren seiner Tochter Anna verlieren sich im KZ Auschwitz, die vom seinem Sohn im Ghetto Krakau.


Familie Althof hatte ein Geschäft für Bekleidung an der Hermannstrasse 123. Die Scheiben ihres Geschäfts wurden in der „Reichskristallnacht“ eingeschlagen und die Wände mit Parolen beschmiert Ob sie ihr Geschäft wieder öffneten ist nicht bekannt. Sohn Arno soll von Nachbarn versteckt werden. Als er das letzte Mal seine Eltern sehen will, läuft er der Gestapo in die Arme. Er wird wie die Eltern Karl und Dorothea am 19. Oktober 1942 in das KZ Riga verfrachtet.


Der Sozialdemokrat Paul Fürst besaß einen Verlag in der Gontardstrasse 2 am Alexanderplatz und wohnte in der Bruno-Bauer Straße 17A. 1938 erhielt er Berufsverbot. Im Dezember 1940 werden seine Bücher beschlagnahmt und er wird in das KZ Sachsenhausen gebracht. In seinem Todesschein steht der 6. Juni 1941.

Er sei an Kreislaufschwäche und doppelseitiger Lungenentzündung gestorben.

 

Der Verein proNeubritz gedachte auch dem Pfarrer Carl Pohle von der Phillip-Melanchthon Kirche die zur Bekennenden Kirche gehörte. Er wohnte in der Silbersteinstr 114. Er wurde am 24. April 1943 verhaftet und am 17. April vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt. Er wurde am 5. Juni 1944 in Brandenburg-Göhren durch Fallbeil hingerichtet.

 

Deshalb mein Aufruf an alle, die bis hierhin gelesen haben. Passt auf, das diejenigen, die zu Gewalt an anderen Menschen aufrufen, niemals mehr in Deutschland an die Macht kommen.

 

Bertil Wewer